Tafel 18 - Teilrehabilitierung – Autonomiebestrebungen

Teilrehabilitierung – Autonomiebestrebungen
"Die Tore öffnen sich"

Am 13. Dezember 1955 erließ das Präsidium des Obersten Sowjets der Sowjetunion ein Dekret, wonach die Kommandanturaufsicht und Zwangsarbeit aufgehoben wurden.

  • Die Rückkehr in die ursprünglichen Heimatorte im europäischen Teil der Sowjetunion blieb jedoch verboten.
  • Auch wurden die nationalen Rechte der Deutschen nicht wieder hergestellt.
  • Sie mussten sich verpflichten, nie wieder in ihre ehemaligen Siedlungsgebiete zurückzukehren und keine Ansprüche auf das konfiszierte Eigentum zu erheben.
  • Als sich infolge dieses Dekretes etwa 200.000 Russlanddeutsche spontan für die Aussiedlung nach Deutschland entschieden, wurde ihnen auch das verweigert.

In der Öffentlichkeit und in der Presse wurden die Deutschen weiterhin totgeschwiegen. Die im Dekret zugesagte Hilfe für den „wirtschaftlichen Aufbau unter Berücksichtigung ihrer nationalen Besonderheiten und Interessen“ wurde vor Ort nicht ausgeführt.

Teilnehmer der zweiten Delegation der Russlanddeutschen, die 1967 in Moskau die Wiederherstellung der Wolgarepublik forderte.

Siedlungsgebiete der Deutschen aus Russland.
Unter Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl und Präsident Michail Gorbatschow öffneten sich für die Deutschen in der Sowjetunion die Tore in die Bundesrepublik.

Erleichterungen, aber die Schikanen gehen weiter

Trotzdem erleichterte das Dekret aufgrund der nun möglichen, wenn auch eingeschränkten Bewegungsfreiheit das Los der Russlanddeutschen.

Die 1958/59 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR vereinbarte Ausreise der Russlanddeutschen zum Zweck der Familienzusammenführung mit den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Verwandten ersten Grades brachte leider nur einen kurzfristigen Anstieg der Ausreisegenehmigungen.

Obwohl sich beim DRK binnen Kurzem die Anträge zu Hunderttausenden türmten, durften zwischen 1959 und 1970 nur rund 15.000 Personen ausreisen. Die Genehmigungspraxis der sowjetischen Behörden war schleppend, willkürlich und schikanös.

Mit dem „Tauwetter“ in der Ostpolitik der 1960er-Jahre entspannte sich die Lage der Russlanddeutschen ein wenig. Mit dem Dekret vom 29. August 1964 des Präsidiums des Obersten Sowjets wurden die Deutschen nach 23 Jahren von der pauschalen Beschuldigung des Verrats freigesprochen. Leider blieb diese längst fällige Rehabilitierung jedoch ohne die erhofften Folgen.
Nach dem bisher Erlittenen konnte das die Deutschen aber nicht abschrecken: Mit dem Mut der Verzweifelten brachten sie eine Bewegung zur Wiederherstellung der früheren Autonomie ins Rollen. Die Sicherheitskräfte des KGB erstickten aber sämtliche Aktivitäten mit immer härteren und brutaleren Mitteln bis zum ausdrücklichen Verbot aller Autonomiebestrebungen im Jahr 1968.

Der am 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR abgeschlossene Vertrag über gegenseitigen Gewaltverzicht brachte zwar eine Verbesserung des Klimas hinsichtlich der Deutschen im Allgemeinen und der Russlanddeutschen im Besonderen.

Doch außer einem vorübergehenden Anstieg der Ausreisegenehmigungen und der Einbeziehung der Russlanddeutschen in den Erlass der Regierung vom 3. November 1972 über die Gewährung der Freizügigkeit für alle Sowjetbürger gab es keine Verbesserung der Lage für die Volksgruppe.

Auch die Unterzeichnung der Schlussakte der „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE) in Helsinki am 1. August 1975 durch die Sowjetregierung ergab keine konkreten Auswirkungen für die Deutschen in der UdSSR.

Erst Anfang der 1980er-Jahre konnten die Russlanddeutschen mit ihrer Forderung nach Autonomie wieder in die Öffentlichkeit treten. So war es möglich, dass in den Jahren 1988 und 1989 drei Delegationen von Russlanddeutschen aus allen Teilen der UdSSR mit einer eindrucksvollen Zahl von Unterschriften in Moskau für die Autonomie vorstellig werden konnten.

Der Durchbruch in den deutsch-sowjetischen Beziehungen war schließlich mit dem von Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl und Präsident Michail Gorbatschow 1990 abgeschlossenen „Abkommen über gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR“ geschafft.