Die Familien Pflugfelder, Baun, Deitche und Humenick 1992 in Batamschinsk vor der Ausreise nach Deutschland.

Tafel 7 - Familie Meta Pflugfelder-Baun aus dem Schwarzmeergebiet

1820 Die Vorfahren der Familie Pflugfelder-Baun wanderten 1820 mit weiteren 120 Familien aus Baden-Württemberg in die Ukraine an das Schwarze Meer aus.

1914–1921 Im I. Weltkrieg wurde der Vater der Verfasserin, Karl-Johannes Baun (geb. 1885), in die russische Armee einberufen und an die russisch-deutsche Front geschickt. Er kam in deutsche Gefangenschaft in Döffingen bei Stuttgart, wo er vier Jahre als Tischlermeister bei Emma Blessing arbeitete. Nach seiner Rückkehr 1919 wütete in Russland der Bürgerkrieg.

1924–1936 Dank der „Neuen Ökonomischen Politik“ kamen die Bauern wieder zu Wohlstand. Doch diese friedliche Zeit währte nicht lange, weil die von Stalin eingeleitete Politik der „Entkulakisierung“ sehr viele Bauern des Dorfes traf: Man beschlagnahmte ihr gesamtes Vermögen und verschleppte sie nach Sibirien.
Unter diesen Enteigneten und Verschleppten war auch Adam Pflugfelder (geb. 1873), der spätere Schwiegervater der Verfasserin, mit seiner Familie. Die fünf Kinder mussten sich von den Eltern lossagen, damit sie im Dorf bei Verwandten und Bekannten bleiben durften.

1937–1940 Ganz besonders hart traf es die Bewohner von Ludwigstal im Jahr 1937, als die Jagd auf die sogenannten Volksfeinde begann. Als Erster wurde der Vater der Verfasserin, Karl-Johannes Baun, am 1. Juli 1937 am helllichten Tage vom NKWD verhaftet. Er wurde am 26. September 1937 von der Troika verurteilt und erschossen, weil er als Gefangener in Deutschland gewesen war und deutscher Spion hätte sein können.

1939 heiratete die Verfasserin Reinhold Pflugfelder (geb. 1915), und 1940 kam das erste Kind Lilly zur Welt.

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Meta Pflugfelder-Baun 1943 in Ludwigstal/Gebiet Saporoschje mit ihren Kindern Lilly und Walter sowie dem Neffen Heinrich Baun.

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Familien Baun und Pflugfelder 1944 in Deutschland. Die Großmutter Christine Baun mit ihren drei Töchtern Antonie, Erna und Meta mit Ehemann Reinhold Pflugfelder. Vorne die Kinder Lilli und Harry.

1941–1944 Der Beginn des deutsch-russischen Krieges am 22. Juni 1941 brachte das endgültige Ende des Dorfes Ludwigstal. Alle Männer von 16 bis 60 Jahren wurden in Zwangsarbeitslager verschleppt; die meisten von ihnen kamen dort ums Leben. Der Ehemann der Verfasserin, Reinhold Pflugfelder, wurde am 3. September 1941 abtransportiert. Es gelang ihm aber, zu fliehen und nach einem mehrwöchigen Fußmarsch von Charkow zurück nach Ludwigstal zu kommen.

In der Verbannung in Batamschinsk, Gebiet Aktjubinsk/Kasachstan, beim Bergbau Kimpersai. Zweite von links: Erna Baun.

1945–1958 Anfang 1945 wurde die Familie der Verfasserin und mit ihr Tausende Russlanddeutsche in Naumburg (Saale) von der sowjetischen Armee überrollt und nach Russland verschleppt. Grund: „Verrat an der sozialistischen Heimat.“ Urteil: 20 Jahre Straflager. Die Verfasserin verbrachte mit ihren Kindern 13 Jahre im Arbeitslager als Holzfällerin im tiefsten Wald. Trotz des Verbotes, Deutsch zu sprechen, versuchten die verschleppten Deutschen an ihrem Volkstum auch in diesen unmenschlichen Verhältnissen festzuhalten. 1948 wurde Erna Baun, die Schwester der Verfasserin, vom NKWD wegen Singens deutscher Volkslieder bei der Arbeit im Wald vom Kriegstribunal als „Vaterlandsverräterin“ zum Tod durch Erschießen verurteilt. Doch das Urteil wurde aus „Gnade und Humanität“ in 25 Jahre Straflager abgeändert. 1955 wurde sie freigesprochen.

1958–1991 Nach Aufhebung der Sonderkommandantur gingen die Familien Pflugfelder und Baun 1958 nach Westkasachstan, da es nicht erlaubt war, in die frühere Heimat in der Ukraine zurückzukehren.

1992–1995 Im Oktober 1992 gelang es der Familie Pflugfelder-Baun, nach Deutschland auszusiedeln und in den Kreisen Aurich-Norden und Cloppenburg in Ostfriesland ein neues Zuhause zu finden. Erst in Deutschland erfuhr die Verfasserin, dass ihr Ehemann Reinhold am 2. Januar 1945 in Elsass-Lothringen gefallen war und auf einem Ehrenfriedhof im Saarland die letzte Ruhe gefunden hatte.

Verfasser Wilhelm Biedlingmaier