Aus Blog von Sergey Platonov (Сергей Платонов)

Tafel 14 - Glaubens- und Kirchenverfolgung in der UdSSR

Anlässlich der konstituierenden Sitzung der Arbeitsstelle Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz am 19. April 2012 in Frankfurt am Main nahm die Landsmannschaft Stellung zur Verfolgung des Glaubens und der Kirchen in der ehemaligen UdSSR:

Für die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, die 1950 von Vertretern der evangelisch-lutherischen, katholischen, mennonitischen und baptistischen Kirche gegründet wurde, waren der christliche Glaube und die Zusammenarbeit mit den Kirchen von Anfang an Stützpfeiler ihres Wirkens.

Der christliche Glaube gibt unserer Arbeit Ziel und Perspektive, und ohne die Wertschätzung des christlichen Glaubens wären wir der religiösen Prägung großer Teile unserer Landsleute nicht gerecht geworden, für die Religion und Kirche im Mittelpunkt ihres Lebens stehen.

Mit der zentralen Wertschätzung des christlichen Glaubens haben wir aber auch einer historischen Verantwortung gerecht zu werden: Wir dürfen nämlich niemals vergessen, dass die religiösen Gemeinschaften in der Sowjetunion Stalins systematisch vernichtet wurden, um die kommunistische Weltanschauung als einzige zuzulassen und sie mit allen staatlichen Mitteln zu fördern.

Zum Ausmaß der Kirchenverfolgung in der UdSSR führt der Historiker Dr. Alfred Eisfeld in einer Stellungnahme für den Stiftungsrat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ aus:

Geistliche („Kultdiener“) wurden bereits 1930 der Schicht der grundbesitzenden Bauern (Kulaken) in Bezug auf Besteuerung und Entzug des Wahlrechts zugerechnet.

Die evangelisch- lutherische Kirche in Odessa, Schwarzmeer- gebiet.

Bild von Artjom Uffelmann

Die Bekämpfung der Kirchen und Religionen wurde ab Sommer 1937 verstärkt im Rahmen des Befehls des NKWD Nr. 00447 „Über Operationen zwecks Repressierung ehemaliger Kulaken, Krimineller und anderer antisowjetischer Elemente” und der sogenannten nationalen Linien geführt. Ab Juli 1937 wurden Geistliche aller Religionen systematisch verhaftet, überwiegend zum Tode oder zu langjährigen Strafen mit Einweisung in Arbeitslager verurteilt.

In den Jahren 1937 bis 1938 wurden ca. 200.000 Geistliche und Laien repressiert und circa 100.000 hingerichtet.

Die Russisch-Orthodoxe Kirche hat 1918–1938 250 Metropoliten, Erzbischöfe und Bischöfe verloren, davon 50 allein 1937.

Die Römisch-Katholische Kirche in der UdSSR hat in den Jahren 1918–1939 601 Priester verschiedener Volkszugehörigkeit verloren. Von ihnen kamen 187 ums Leben, das Schicksal von 168 Priestern, die in Gefängnisse und Lager eingewiesen wurden, ist bislang nicht geklärt; 92 blieben nach der Abbüßung der Strafen am Leben und in der UdSSR; 154 haben nach der Entlassung aus den Gefängnissen, Straflagern und der Verbannung die UdSSR verlassen und emigrierten ins Ausland. Die Katholische Kirche stellte 1939 ihre Tätigkeit in der UdSSR ein.

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in der UdSSR hat in den Jahren 1918–1938 317 Kirchen und 856 Bethäuser verloren. Etwa 200 Pastoren wurden zu Gefängnis- und Lagerhaft verurteilt, davon kamen 37 ums Leben. Über 100 Pastoren gingen ins Ausland. Die letzten Kirchen wurden 1939 geschlossen. Die Kirche hörte auf zu existieren.

Die Bekämpfung der jüdischen, moslemischen, buddhistischen und freikirchlichen Gemeinschaften und Priester verlief zeitgleich und mit ähnlichen Folgen.