Trudarmee – Zwangsarbeitslager-II
Trudarmee – Zwangsarbeitslager-II
Beschluss des Staatlichen Verteidigungskomitees der UdSSR vom 7. Oktober 1942 über eine zusätzliche Mobilisierung von Deutschen für die Volkswirtschaft der UdSSR (Auszüge):
- Deutsche Männer im Alter von 15 bis 55 Jahren und tauglich für körperliche Arbeit … werden zum Einsatz in den Arbeitskolonnen für die gesamte Dauer des Krieges zusätzlich mobilisiert.
- Zusätzlich wird eine Mobilisierung von deutschen Frauen ab 16 bis einschließlich 45 Jahre zum Einsatz in Arbeitskolonnen für die gesamte Dauer des Krieges vorgenommen.
Von der Mobilisierung sind schwangere deutsche Frauen und Frauen mit Kindern unter drei Jahren freizustellen.
Die ankommenden Arbeitskräfte wurden in sog. Bautrupps eingeteilt, die ihrerseits aus Kolonnen bis zu tausend Mann und letztere aus Brigaden unterschiedlicher Größe bestanden. An der Spitze der Arbeitskolonnen standen andersethnische Vorgesetzte und Politoffiziere.
Andere Zwangsarbeiter wiederum kamen in schon existierende Straflager als Ersatz für in kämpfende Truppen überstellte oder vorzeitig entlassene Häftlinge. Dort wurden sie getrennt von den übrigen Häftlingen und der freien Belegschaft untergebracht und eingesetzt.
Die Gesamtzahl der deutschen Zwangsarbeiter lag bei etwa 350.000, d.h. dass sich jeder Dritte aus dieser Volksgruppe während des Krieges in Arbeitslagern befand. Die Einberufungsquote lag für Männer bei 80 bis 90 Prozent, für Frauen bei etwa einem Drittel der entsprechenden arbeitsfähigen Jahrgänge. Für Frauen, die weniger als drei Kinder bzw. keines unter drei Jahren hatten, lag die Einberufungsquote bei nahezu 100 Prozent.
Die deutschen Familien waren für viele Jahre getrennt. Tausende von Kindern blieben ohne Aufsicht und Fürsorge. Viele von ihnen kamen in Kinderheime; sie erhielten andere Namen und konnten in der Folge ihre Eltern nicht mehr finden.
Insbesondere in den Jahren 1942 und 1943, als die Baustellen auf die Aufnahme dieser großen Anzahl von überwiegend bäuerlichen Häftlingen nicht vorbereitet waren, war die Sterblichkeit außerordentlich hoch. Sie trug genozidale Züge. So kam im Lager Wjatlag im Winter 1942 über ein Drittel der Lagerinsassen ums Leben. Selbst nach Statistiken des NKWD waren zum 1. Januar 1943 rund 26 Prozent der Arbeitsarmisten arbeitsunfähig. Eine verlässliche Zahl der Opfer lässt sich bislang nicht angeben; die Sterblichkeitsrate soll Hochrechnungen aus einzelnen Lagern zufolge nicht weniger als 20 Prozent betragen haben.
Es wurden schon keine Einzelgräber mehr ausgehoben, sondern lange Gräben, wie Schutzgräben. Sie wurden immer länger. Spät am Abend lud man die Leichen wie Baumstämme auf Schlitten und fuhr sie in ein Massengrab, jeweils bis 20 Tote. Die Leichen wurden nackt, ohne Namen, nur mit einem Brettchen mit ihrer Nummer an den Füßen wie ein verendetes Vieh eingescharrt.
Die Menschen wurden zu Schatten. Auch mein Bruder Andrej. Er kam ins Lagerlazarett. Auf den Pritschen krümmten sich jämmerliche Geschöpfe. Der Hunger entzog den Menschen ihre Identität, verwandelte sie in nicht mehr unterscheidbare Skelette mit gelber Haut und nackten Schädeln. Andrej bat mich, ihn auf die andere Seite umzudrehen. Er lag auf der Pritsche, ohne Matratze, ohne Decke. Die Wattedecke, mit der er sich zudeckte, stank erbärmlich.
Ich drehte seinen leichten, fast trockenen Körper um und erschrak: Durch die wund gelegenen Stellen sah ich seine weißen Knochen. Am Morgen darauf war mein Bruder Andrej tot. Für mich hatte die Welt von dieser Stunde an ein anderes Gesicht bekommen.”
Gottlieb Eirich