Familie Alexander Schwindt aus Morgentau/Wolgagebiet
Familie Alexander Schwindt aus Morgentau/Wolgagebiet
1766/67
Die Vorfahren der Familie Schwindt wanderten aus Hessen (Grenzgebiet zur Pfalz) nach Russland an die Wolga aus.
1767
Zusammen mit 246 anderen deutschen Kolonisten gründeten sie auf der rechten Seite (Bergseite) der Wolga das Dorf Kraft (Werchnjaja Grjasnucha). Als Folge des Kinderreichtums der Siedler wuchs die Bevölkerungszahl so rasch, dass das landwirtschaftlich nutzbare Land knapp wurde und Tochterkolonien gegründet werden mussten.
1860
Mit einigen Familien aus Kraft gründete Friedrich Schwindt (geb. etwa 1825) auf der linken Seite (Wiesenseite) der Wolga das Dorf Morgentau (Tschumak). Im Jahre 1912 zählte das Dorf 2.486 Einwohner. Durch ihren Fleiß kam die Familie Schwindt zu Wohlstand.
1917–1927
Die Oktoberrevolution brachte zwar zunächst vorübergehende Enteignungen und Einschränkungen durch die neuen Machthaber. Aufgrund der sog. Neuen Ökonomischen Politik, die den Bauern das Land wieder zurückgab, sowie der Gründung der Autonomen Wolgarepublik konnte die Familie Schwindt jedoch ihren Wohlstand bald wieder erreichen und einige Zeit erhalten.
1929/30
Nun wurde aber auch die Familie Schwindt von der einsetzenden „Entkulakisierung“ und „Kollektivierung“ erfasst und als „Kulaken“ (wohlhabende Bauern) völlig enteignet. Dabei hatten sie noch das Glück, im Gegensatz zu vielen Nachbarn, die sofort in die Verbannung geschickt wurden, im Dorf bleiben zu dürfen, aus welchen Gründen auch immer. Die Schwindts wurden in verschiedenen Funktionen in die Kollektivwirtschaft gezwungen und verpflichtet, die Sowjetwirtschaft in Schwung zu halten.
1937/38
Trotz ihrer Leistungen und ihrer Pflichterfüllung gegenüber dem Staat und dem Kollektiv wurden der Großvater Schwindt und seine drei Söhne verhaftet; die Familie sah sie nie mehr wieder.
1941
Die übrigen Angehörigen der Familie wurden wie alle Wolgadeutschen deportiert und kamen in das Gebiet von Krasnojarsk/Ostsibirien.
1942
Alle Frauen und Männer zwischen 16 und 60 Jahren wurden in Arbeitslager gesteckt. Dazu gehörte auch der Verfasser Alexander Schwindt (geb. 1923), der in ein Waldlager im Gebiet Kirow/Wjatka, 1.200 km nordöstlich von Moskau, kam.
1943
Die Großmutter des Verfassers, Anna-Maria Schwindt (geb. 1882), wurde mit den Familien der Witwen ihrer erschossenen drei Söhne, darunter auch die Mutter und die jüngeren Geschwister des Verfassers, in den hohen Norden Sibiriens, an die Mündung des Flusses Jenissej verschleppt. Dort starb sie infolge der Entbehrungen, der Kälte und des Hungers schon 1943.
1947/54
Der Verfasser und seine inzwischen angetraute Frau Lydia wurden in der Folgezeit sechsmal aus dem Lager Kirow/Wjatka in andere Lager und Regionen der UdSSR verlegt. Zuletzt durfte die Familie mit den drei inzwischen geborenen Kindern zu den Verwandten der Ehefrau in die Region Altai/Westsibirien ziehen.
1955
Nach Aufhebung der Sonderkommandantur zogen auch die Angehörigen der Familie Schwindt aus den Verbannungsorten des Hohen Nordens in südliche Gebiete. Eine Rückkehr in die angestammten Heimatgebiete war jedoch strengstens verboten. So war die Familie aus Morgentau in der Wolgarepublik über die gesamte UdSSR verstreut.
1959–1969
Die Familie des Verfassers und alle Verwandten seiner Ehefrau siedeltennach Kirgisien um. Dort schloss sich der Verfasser in den 60er Jahren der Bewegung für die Wiederherstellung der deutschen Wolgarepublik an. Leider wurden diese Bemühungen von der Sowjetregierung in Moskau abgelehnt und unterdrückt.
1975
Nach hartnäckigen Bemühungen, die mit vielen Schikanen und Nachteilen verbunden waren, gelang der Familie schließlich die Aussiedlung.
Verfasser: Alexander Schwindt

Krasnojarsk/Ostsibirien.

