Zeittafel zur Geschichte der Russlanddeutschen
Zeittafel zur Geschichte der Russlanddeutschen
Anmerkung: Bis zum 1. Februar 1918 sind alle Daten der russischen Geschichte nach dem Julianischen Kalender (alter Stil) angegeben. Ab dem Jahr 1900 betrug der Unterschied zu dem im Westen geltenden Gregorianischen Kalender 13 Tage. Deshalb wurde in der Sowjetunion zum Beispiel der Tag der bolschewistischen Machtergreifung, die so genannte Oktoberrevolution, die am 25. Oktober 1917 (A.S.) stattfand, am 7. November (25. Oktober plus 13 Tage) gefeiert.
1652
Endgültige Errichtung der „Deutschen Vorstadt“ („Nemezkaja sloboda“) in Moskau.
1702
In einem Berufungsmanifest sichert Peter der Große den einwanderungswilligen Militärs und Fachleuten Religionsfreiheit zu.
1727
In der neuen russischen Hauptstadt St. Petersburg erscheint die erste deutsche Zeitung, die spätere „St. Petersburger Zeitung“ (verboten 1916).
1763
22. Juli: Einladungsmanifest der Zarin Katharina II., vor allem an Handwerker und Ackerbauern. Es beginnt die Zeit der Masseneinwanderung deutscher und anderer Ausländer.
1764–1773
An der Wolga werden 104 deutsche Siedlungen (Kolonien) angelegt, 45 auf der Bergseite und 59 auf der Wiesenseite; 66 Kolonien sind lutherisch, 38 katholisch. In Saratow konstituiert sich eine evangelische Gemeinde.
1765
Gründung der Herrnhuter Kolonie Sarepta (heute Teil von Wolgograd); im Umkreis von St. Petersburg entstehen die „Nördlichen Kolonien“, in Neurussland die Belowescher Kolonien bei Kiew.
1789
In den Siedlungen Chortitza und Rosental am Dnjepr entstehen die ersten Kolonien deutscher Mennoniten in der Südukraine.
1800
Gnadenprivileg Pauls I. für die Mennoniten.
1804–1824
Württemberger, Pfälzer, Badener und Elsässer folgen dem Einladungsmanifest des russischen Zaren Alexander I. (1804) zur Ansiedlung am Schwarzen Meer (Neu-Russland, Bessarabien, die Krim).
1817–1818
Einwanderung von württemberger Separatisten in den Transkaukasus.
1832
Gesetz über die evangelisch-lutherische Kirche in Russland.
1848
Gründung des katholischen Bistums Tiraspol mit Sitz in Saratow.
1853–1856
Deutsche Siedler unterstützen die russischen Truppenteile im Krimkrieg tatkräftig bei der Versorgung und Krankenpflege.
1861
In Russland wird die Leibeigenschaft aufgehoben.
1863
Gründung der „Odessaer Zeitung“.
Deutsche Einwanderer aus Schlesien und Polen gehen als Siedler nach Wolhynien.
1871
Aufhebung der staatlichen Sonderverwaltung der Kolonisten. Sie werden nun als „Siedler-Eigentümer“ Teil des russischen Bauernstandes. Deutsche Dörfer und Landkreise behalten die innere Selbstverwaltung, unterstehen jedoch seither der allgemeinen Verwaltung auf Gouvernements- und Bezirksebene.
1874
Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Erste Auswanderungswelle nach Übersee.
1882–1914
Gründung zahlreicher Tochtersiedlungen in Turkestan, in der kasachischen Steppe, in Sibirien und im Südural.
1887
Erlass über die Begrenzung des Grundbesitzes für Ausländer in den russischen Westgouvernements.
1895
Verbot der Vergabe von Krediten der Bauernbodenbank an deutsche Siedler-Eigentümer.
1897
Zwangsrussifizierung: abrupte Umstellung in deutschen Dorfschulen auf den Unterricht der meisten Fächer in russischer Sprache. Nach 1907 teilweise zurückgenommen.
1905
Erste russische Revolution, Unruhen und Aufstände auf dem Lande und in den Städten.
17. Oktober: Zar Nikolaus II. verkündet die Einführung einer gesetzgebenden Reichsduma und die Gewährung bürgerlicher Grundrechte.
1906
Gründung der „Saratower Deutschen Zeitung“, 1914 verboten und 1917/1918 kurzzeitig wieder erschienen.
1914
Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges werden die Deutschen in Russland zahlreichen Restriktionen unterzogen, obwohl ungefähr 300.000 von ihnen in der russischen Armee Dienst leisten.
18. August: Die Hauptstadt St. Petersburg wird in Petrograd umbenannt
1915
„Liquidationsgesetze“. Deutscher Landbesitz soll in einem 150 Kilometer tiefen Grenzstreifen zwangsveräußert und russischen Bauern gegeben werden.
Die Militärverwaltung ordnet Deportationen der Deutschen aus den frontnahen Gouvernements ins Landesinnere an; vor allem die Deutschbalten und Wolhynier sind davon betroffen.
26.–29. Mai: Antideutscher Wirtschaftspogrom in Moskau mit mehreren Toten und Verwundeten.
1917
Liquidationsgesetzgebung soll sich praktisch auf das ganze Land erstrecken.
27. Februar: Bürgerliche demokratische Revolution stoppt weitere Zwangsaussiedlungen und ‑enteignungen.
Kongresse der Russlanddeutschen in Moskau, Saratow, Warenburg/Wolga, Slawgorod/Sibirien und Odessa.
25. Oktober: „Oktoberrevolution“, Machtergreifung der Bolschewiki.
1918
3. März: Frieden von Brest-Litowsk mit gegenseitiger Repatriierungsklausel für russischstämmige Bürger in Deutschland bzw. deutschstämmige Bürger in Russland.
19. Oktober: Der Rat der Volkskommissare genehmigt per Dekret die Errichtung einer Gebietsautonomie (Arbeitskommune) der Wolgadeutschen.
1919
Juli-August: bewaffnete Erhebung der deutschen Bauernschaft in Großliebental, Kreis Odessa, gegen bolschewistische Lebensmitteleintreibungen und Mobilisierungen.
Oktober-Dezember: Plünderungen, Brandschatzungen, Raub, Verwüstungen, Vergewaltigungen und mehrere hundert Morde gehen auf das Konto der Banden des Anarchisten Machno, insbesondere in den Mennoniten-Siedlungen der Südukraine.
1921
Auf Revolution und Bürgerkrieg folgt in Russland eine große Hungersnot, verursacht in erster Linie durch falsche Wirtschaftspolitik mit rücksichtslosen Nahrungsmitteleintreibungen, von denen die deutschen Dörfer an der Wolga und im Süden des Landes hart getroffen werden.
März-April: Hungeraufstände in mehreren wolgadeutschen Dörfern, die brutal niedergeschlagen werden.
März: Unter dem Eindruck der landesweiten Unruhen und Bauernaufstände beschließt die Sowjetführung einen Übergang zur „Neuen Ökonomischen Politik“ (NÖP, 1921–1928).
1923
Gründung des Allrussischen Mennonitischen landwirtschaftlichen Vereins (aufgelöst 1928).
1924
20. Februar: Aufwertung des autonomen Gebietes zur Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen (ASSRdWD) mit Pokrowsk, dem späteren Engels, als Hauptstadt.
1926
Laut Volkszählung leben in der Sowjetunion 1.238.549 Deutsche, davon in der Ukraine 393.924, in der ASSRdWD 379.630, auf der Krim 43.631 usw.
In Moskau erscheint die „Deutsche Zentralzeitung“ (DZZ), die bis 1939 existiert.
1929
Beginn der Zwangskollektivierung der selbständigen Bauernwirtschaften, verbunden mit der restlosen Enteignung der wohlhabenden Bauern („Kulaken“) und ihrer Verbannung nach Kasachstan und in den Hohen Norden.
Als Protest gegen Enteignungen und religiöse Verfolgungen brechen im November und Dezember an die 14.000 Deutsche, zumeist Mennoniten, mit ihren Familien auf. Sie fordern freie Ausreise aus dem Land. Insgesamt gelingt es 5.671, über Deutschland nach Amerika auszuwandern.
1930
6. Januar: Offizielle Eröffnung der ersten Hochschule mit deutscher Unterrichtsprache, des Deutschen Pädagogischen Instituts in Engels.
1932–1933
Zweite große Hungersnot an der Wolga, in Kasachstan und in der Ukraine; eine Folge der überstürzten Kollektivierung, die besonders die Landbevölkerung trifft.
1936
Nach einem Regierungsbeschluss über die Aussiedlung von 15.000 polnischen und deutschen Haushalten aus der Ukraine werden 69.283 Personen aus den Grenzgebieten nach Kasachstan verbannt; Polen machen dabei mit etwa 75% das Gros der Zwangsausgesiedelten aus.
5. Dezember: Annahme der so genannten Stalinschen Verfassung, die direkte oder indirekte Beschränkungen der Rechte von Personen aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit oder Propagierung von Nationalitätenhass unter Strafe stellt.
1937–1938
Die sowjetische politische Strafjustiz verurteilt in diesen zwei Jahren 1.372.382 Personen, von denen 681.692 erschossen werden. Nach bislang veröffentlichten Opferlisten und Schätzungen der russischen Menschenrechtsorganisation „Memorial“ kostete der „Große Terror“ etwa 55.000 Deutschen das Leben
12. Dezember 1937: Neun Wolgadeutsche in den Obersten Sowjet der UdSSR, das „oberste Organ der Staatsgewalt“, gewählt.
1939
Die Anfang des Jahres durchgeführte Volkszählung registriert in der Sowjetunion 1.427.232 Deutsche oder 0,8 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes.
1939–1940
Aufgrund der geheimen Absprache der beiden Diktatoren Stalin und Hitler annektiert die Sowjetunion Bessarabien (gehörte zu Rumänien), die Westukraine und Westweißrussland (zu Polen) sowie die unabhängigen baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen. Die dort ansässige deutsche Minderheit votiert in überwiegender Mehrheit für Deutschland („Vertragsumsiedler“).
1941
22. Juni: Angriff von NS-Deutschland auf die Sowjetunion.
28. August: Verabschiedung des Erlasses über die Aussiedlung der Deutschen aus den Wolgaregionen. Damit legalisiert das Präsidium des Obersten Sowjets der Sowjetunion die Deportation seiner deutschen Bürger, die zu dieser Zeit bereits voll im Gange ist. Es kommt zur Auflösung und Liquidierung aller kulturellen Institutionen wie deutsche Museen, Bibliotheken, Theater, Zeitungen oder Verlage. Schließung oder Umprofilierung von Bildungsstätten, Verbot des Unterrichts in deutscher Sprache.
7. September: Territorium der ASSR der Wolgadeutschen geht an die Gebiete Saratow und Stalingrad.
1942
Durch geheime Beschlüsse des Staatlichen Verteidigungskomitees vom 10. Januar, 14. Februar und 7. Oktober werden im Laufe des Krieges ca. 350.000 russlanddeutsche Jugendliche, Frauen und Männer zur Zwangsarbeit mobilisiert.
1943–1944
Etwa 340.000 Schwarzmeerdeutsche, die in den nationalsozialistischen Herrschaftsbereich geraten sind, werden beim Rückzug der Wehrmacht in den Warthegau umgesiedelt und erhalten die deutsche Staatsbürgerschaft („Administrativumsiedler“).
Eine Reihe von Völkern, Tschetschenen, Kalmücken, Krimtataren u.a., werden kollektiv des Vaterlandsverrats beschuldigt und nach Sibirien und Zentralasien deportiert.
1945
8. Januar: Regierungsverordnung über die Rechtsstellung der Deutschen und anderer deportierter Völker. Einrichtung von Sonderkommandanturen zur besseren Kontrolle der Sondersiedler.
8. (9.) Mai: Bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reiches. Zwangsrepatriierung von ca. 210.000 „Administrativumsiedlern“.
1948
26. November: Verschärfung der Bedingungen für Deutsche und andere Sondersiedler durch ein Dekret, das die Verbannung “auf ewig” festschreibt und für unerlaubtes Verlassen des Aufenthaltsortes 20 Jahre Zwangsarbeit vorsieht.
1953
5. März: Stalins Tod. Vorsichtige Liberalisierung der sowjetischen Gesellschaft, beginnende Rehabilitierung der Opfer politischer Justiz, schrittweise Verbesserung der Lage der deportierten Völker.
1954
5. Juli: Regierungsbeschluss „Über die Aufhebung einiger Einschränkungen in der Rechtsstellung der Sondersiedler“.
1955
22. Februar: Bundesrepublik Deutschland erkennt Einbürgerungen aus der Kriegszeit an.
9.–13. September: Besuch von Bundeskanzler Konrad Adenauer in Moskau. Aufnahme diplomatischer Beziehungen.
13. Dezember: Erlass über die Aufhebung der Einschränkungen in der Rechtsstellung der deutschen Sondersiedler und ihre Befreiung von der Kommandanturaufsicht.
1957
Die Wiederherstellung der autonomen Gebiete und Republiken der Tschetschenen, Kalmücken, Balkaren, Karatschaen und Inguschen führt zur offiziellen Beseitigung des Verratsvorwurfes, bringt eine begrenzte materielle Entschädigung mit sich und bewirkt ein gewisses sprachlich-kulturelles und soziales Fortkommen dieser Völker. Dagegen verweigert man den Deutschen (und den Krimtataren) jegliche substantielle Wiedergutmachung.
In Moskau erscheint die überregionale deutschsprachige Zeitung „Neues Leben“.
1958
8. April: Deutsch-sowjetische Übereinkunft über die Zusammenarbeit der Rotkreuz-Organisationen beider Länder eröffnet Perspektiven für die Familienzusammenführung
1964
29. August: Aufgrund zahlreicher Protestbriefe und Eingaben erscheint ein Dekret über die Teilrehabilitierung der Russlanddeutschen.
1965
Zwei Abordnungen von Russlanddeutschen reisen nach Moskau und versuchen vergeblich, eine Wiederherstellung der aufgelösten deutschen Autonomie an der Wolga zu erreichen. Enttäuschung und verstärkter Wunsch, in die Bundesrepublik Deutschland auszuwandern, um dort Glaubens- und Gewissensfreiheit, rechtliche Gleichheit und die erhoffte sprachlich-kulturelle Umgebung zu finden.
1970
In der Sowjetunion leben laut Volkszählung 1.846.317 Deutsche. 66,8% von ihnen geben Deutsch als Muttersprache an; nur 316 Russlanddeutsche dürfen ausreisen.
12. August: Moskauer Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion.
1971–1982
Über 70.000 Russlanddeutsche profitieren von der Ost-West-Entspannung. Sie dürfen nach Deutschland ausreisen.
1972
3. November: Russlanddeutschen und Griechen wird neben den Bulgaren und Armeniern auf der Krim per Ukas zugesagt, dass sie wieder frei ihren Wohnsitz wählen können.
1973
30. September: In Karaganda, Kasachstan, demonstrieren etwa 400 ausreisewillige Deutsche, die mit Gewalt auseinander getrieben werden.
1979
Scheinversuch der Einrichtung eines deutschen autonomen Gebiets im Norden Kasachstans.
1980
26. Dezember: In Temirtau, Kasachstan, wird ein deutschsprachiges Theater eröffnet, das 1990 nach Alma-Ata umzieht und heute nur noch ein bescheidenes Dasein fristet, zumal die meisten Schauspieler nach Deutschland ausgereist sind.
1984
28. Dezember: Das Politbüro des Zentralkomitees der KPdSU beschließt Maßnahmen gegen die „propagandistische Kampagne im Westen rund um die Lage der sowjetischen Bürger deutscher Nationalität in der Sowjetunion“.
1986
Im Dezember finden schwere ethnische Unruhen in der kasachischen Metropole Alma-Ata statt, die zum ersten Mal öffentlich zur Sprache kommen. Sie dienen als Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung mit zahlreichen ungelösten Nationalitätenproblemen des Landes, darunter auch der Frage der deutschen Minderheit.
1989–1992
Massive Proteste an der Wolga gegen die Rückkehr der Deutschen und die Wiederherstellung der autonomen Republik.
1989
In der UdSSR gibt es laut Volkszählung 2.036.000 Deutsche; nur 48,7% von ihnen geben Deutsch als Muttersprache an.
Im März wird in Moskau die Unionsgesellschaft „Wiedergeburt“ gegründet, die sich als erstes Ziel die Wiedererrichtung der deutschen Autonomie setzt.
14. November: Erklärung des Obersten Sowjets der UdSSR „Über die Bewertung der Repressionsakte gegen Völker, die gewaltsam umgesiedelt wurden, als ungesetzlich und verbrecherisch und über die Gewährung der Rechte dieser Völker“.
1990
9. November: Ein Vertrag zwischen Deutschland und der UdSSR ermöglicht u.a. deutschen Sowjetbürgern die Pflege ihrer nationalen, sprachlichen und kulturellen Identität. Wird von Russland als Rechtsnachfolgerin der UdSSR übernommen.
1991
24. April: Russland erklärt mit dem Gesetz „Über die Rehabilitierung der repressierten Völker“ die seinerzeitigen Repressionen gegen Russlanddeutsche und andere Völker für gesetzwidrig und verbrecherisch.
1. Juli: In der Region Altai, Sibirien, wird der 1938 aufgelöste deutsche Landkreis Halbstadt wieder hergestellt.
1992
8. Januar: In einer Rede im Gebiet Saratow erteilt der amtierende Präsident der Russischen Föderation, Boris Jelzin, den Autonomieplänen eine unmissverständliche Absage.
17. Februar: Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der Russischen Föderation über die Gründung des deutschen Landkreises Asowo im Gebiet Omsk, Sibirien.
21. Februar: Ukas „Über sofortige Maßnahmen zur Rehabilitation der Russlanddeutschen“, in dem ein deutscher nationaler Rayon im Gebiet Saratow und ein deutscher Landkreis im Gebiet Wolgograd vorgesehen sind. Diese Entscheidungen bleiben auf dem Papier.
1993
Nach dem Zerfall der UdSSR und dem Rücktritt Gorbatschows am 25. Dezember 1991 haben sich die Aktivitäten der ehemaligen Sowjetdeutschen in ihre Aufenthaltsorte in der GUS und in Deutschland verlagert. Die Ausreisezahlen erreichen ungeahnte Ausmaße von 200.000 und mehr pro Jahr und können auch durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz vom 1. Januar 1993 nicht gesenkt werden, da bereits zu viele ausreisewillige Bürger der GUS auf gepackten Koffern sitzen.
1994
Der Präsident der Ukraine, Leonid Krawtschuk, lässt die Nachricht verbreiten, 400.000 Deutsche in ihren früheren Wohngebieten im Süden der Ukraine aufzunehmen, doch bereits am 14. April erklärt die deutschsprachige Zeitung „Neues Leben“ in Moskau das Projekt für gescheitert.
1995
In Kiew wird die anlässlich der 200-Jahr-Feier von Odessa 1994 konzipierte Wanderausstellung „Geschichte und Wirken der Deutschen in Odessa und im Schwarzmeergebiet“ präsentiert.
1996
Die Bundesregierung versucht durch die Einführung von Sprachtests und anderen restriktiven Maßnahmen die hohen Einwanderungszahlen (1995: 172.181) zu drosseln. In den folgenden Jahren gehen die Zahlen kontinuierlich bis auf unter 2.000 im Jahr 2012 zurück.
1997
Mai: Bundeskanzler Helmut Kohl bekräftigt bei einem Besuch in Almaty (Kasachstan) die Positionen der Bundesregierung, indem er die Deutschen zum Verbleib in Kasachstan ermutigt, gleichzeitig aber die Rechtsposition bestätigt, dass Deutsche weiterhin nach Deutschland ausreisen dürfen.
2. September: Bundespräsident Roman Herzog eröffnet in Moskau ein Haus der Russlanddeutschen als Zentrum der Begegnung von Deutschen und Russen. Mit deutscher Hilfe entstehen ähnliche Begegnungsstätten auch im Raum Sankt Petersburg, in Kasachstan und im Altaigebiet.
1998
In der Nähe von St. Petersburg werden die ersten Wohnhäuser für deutsche Umsiedler fertig.
1999
Der Nachfolger von Dr. Horst Waffenschmidt (CDU) im Amt des Beaufftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen, Jochen Welt (SPD), verspricht keine Kehrtwende, aber neue Akzente in der Aussiedlerpolitik in Richtung kleinerer und gezielterer Projekte.
2000
Wladimir Putin löst Boris Jelzin als Präsident der Russischen Föderation ab. Die Welt erwartet von ihm mehr Demokratie. Die Russlanddeutschen warten ab und richten ihre Blicke weiterhin in Richtung Deutschland.
2001
Papst Johannes Paul II. wendet sich bei einem Besuch Kasachstans an die Deutschen und sagt: “Durch eure Leistungen ist es euch gelungen, die Lebensleistungen in diesem weiten Land zu verbessern.”
2003
Aus Nischni Tagil und Krasnoturinsk im mittleren Ural sowie zahlreichen anderen Städten Russlands werden Initiativen zum Gedenken an den Jahrestag des Ukases vom 28. August 1941 über die Deportation der Russlanddeutschen gemeldet und Gedenktafeln enthüllt.
2004
28. August: Einweihung einer russlanddeutschen Gedenkstätte in Archangelsk.
Zunehmende Aktivität vermeldet die russische Menschenrechtsorganisation „Memorial“, die sehr umfangreiche Gedenkbücher mit Tausenden von Namen und Daten aus den sowjetischen Kriegs- und Terrorjahren veröffentlicht. Am 5. Dezember erhält die Gesellschaft den „Alternativen Nobelpreis“.
2005
1. Januar: Das Zuwanderungsgesetz tritt in Kraft.
2006
Februar: Dr. Christoph Bergner (CDU) wird neuer Aussiedlerbeauftragter der Bundesregierung.
Das Bundesverfassungsgericht erklärt die drastischen Kürzungen der Renten für Aussiedler für rechtens.
Ab 2006
Drastischer Rückgang der Spätaussiedlerzahlen infolge des Zuwanderungsgesetzes.
2010
14. und 15. Oktober: 8. Sitzung der Deutsch-Kasachischen Regierungskommission in Berlin: Dr. Christoph Bergner: „Die bewährten Hilfen der Bundesregierung im kulturellen, sozialen und Bildungsbereich werden auch weiterhin dazu beitragen, dass die deutschen Volkszugehörigen in Kasachstan für ihre Zukunft eine gute Perspektive haben und dadurch auch ihrerseits einen wichtigen Beitrag zu den guten bilateralen Beziehungen beider Staaten leisten können.“
2011
16. und 17. Mai: 16. Sitzung der Deutsch-Russischen Regierungskommission für die Angelegenheiten der Russlanddeutschen in Tomsk: Fortsetzung der finanziellen Förderung der Deutschen in der Russischen Föderation.
26. August: Einweihung des Denkmals „Den Russlanddeutschen — Opfer der Repressionen in der UdSSR“ in Engels.
9. Dezember: 9. Sitzung der Deutsch-Kasachischen Regierungskommission in Astana: Abschluss eines bilateralen Abkommens zwischen der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland und der Assoziation der gesellschaftlichen Vereinigungen der Deutschen Kasachstans „Wiedergeburt“.
2012
30. und 31. Mai: 17. Sitzung der Deutsch-Russischen Regierungskommission in Zerbst/Anhalt: Dr. Bergner betont die Wichtigkeit bilateraler Partnerschaftsprojekte, die eine völkerverbindende Brücke zwischen den Zivilgesellschaften Deutschlands und Russlands darstellen.
2013
Zahlreiche Veranstaltungen in Deutschland und der ehemaligen Sowjetunion zum 250. Jahrestag der Auswanderung von Deutschen nach Russland.
14. September: Das 10. Änderungsgesetz zum Bundesvertriebenengesetz, mit dem der Nachzug von Familienangehörigen von Spätaussiedlern erleichtert wird, tritt in Kraft.
2014
8. Januar: Hartmut Koschyk (CSU) neuer Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten
2016
6. Juli: Beschluss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, deutschen Staatsbürgern, die zwischen dem 1. September 1939 und 1. April 1956 Zwangsarbeit für einen ausländischen Staat verrichten mussten, einen symbolischen Anerkennungsbetrag in Höhe von 2.500 Euro zu gewähren.